Die Organisation des Industrie 4.0 Unternehmens

Erforschung und Kommunikation von Good Practice Cases zur Führung und Organisation kleiner und mittlerer Unternehmen in Baden-Württemberg

Projektkontext und Akteure

Die Allianz Industrie 4.0 ist ein vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg initiiertes und gefördertes Netzwerk. Gemeinsam mit Partnerorganisationen bündeln wir die Kompetenzen aus Produktions- sowie Informations- und Kommunikationstechnik und begleiten den industriellen Mittelstand auf dem Weg zur Industrie 4.0. Kleine und mittlere Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle und werden durch umfassende Maßnahmenbündel der Allianz und die Zusammenarbeit aller an der Transformation zur Industrie 4.0 beteiligten Akteure gestärkt. Die  Koordinierungsstelle ist beim VDMA-Landesverband Baden-Württemberg angesiedelt (Dr. Katharina Mattes). Als Sprecher stehen der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg Dr.-Ing. E.h. Manfred Wittenstein (Aufsichtsrat der Wittenstein SE) vor.  

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO entwickelt gemeinsam mit Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen der öffentlichen Hand organisatorische Lösungen für die digitale Transformation. Im Zentrum unserer Arbeit stehen die Schwerpunktthemen Digitalisierungsstrategien, ganzheitliche Konzepte für die Entwicklung der Unternehmenskultur, Weiterentwicklung von Führung, Organisation und Transformationsmanagement. Um den Menschen in seiner Arbeit bestmöglich zu unterstützen, arbeiten unsere interdisziplinären Teams an Lösungen, die ein effizientes Zusammenspiel von Mensch, Organisation und intelligenter Technik ermöglichen.

Eine Arbeitsgruppe der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württem­berg widmet sich dem Fokusthema „Arbeit und Organisation“. Sie besteht u.a. aus Vertretern kleinerer und mittlerer Unternehmen, Großunternehmen, des VdMA, der Südwestmetall, der IG-Metall und dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg. Die AG wird von Prof. Wilhelm Bauer (Leiter Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation) und Dr. Ulrich G. Schnabel (Experte für Führung, Organisationsentwicklung und Transformation) geleitet.

Um organisatorische Herausforderungen vor dem Hintergrund der Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen von Baden-Württemberg besser bewältigen zu können, wurde das Maßnahmenbündel
„Die Organisation des Industrie 4.0 Unternehmens - Identifikation und Kommunikation von Good Practice Cases zur Organisation 4.0 bei mittelständischen Unternehmen und KMU in Baden-Württemberg“ initiiert.

Das Projekt wird durch Experten für Führung, Organisation und Transformation sowie für Produktionsmanagement des Fraunhofer IAO in Kooperation mit der Arbeitsgruppe „Arbeit und Organisation“ zur Projektsteuerung sowie Vertretern aus Baden-Württembergischen Unternehmen realisiert. Das Vorhaben wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau in Baden-Württemberg gefördert.

Herausforderungen

Die sich verändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind durch eine zunehmende Dynamisierung gekennzeichnet. Zentrale Treiber hierfür sind die fortschreitende Globalisierung, aber vor allem die Digitalisierung der Wirtschaft. Mit der Transformation zu Industrie 4.0 Unternehmen geht die zunehmend Automatisierung und vollständige Vernetzung aller Prozesse in der Fertigung und der Supply Chain einher: Fabriken sollen dynamisch miteinander kommunizieren können, Produktionsabläufe intelligent ineinandergreifen, Maschinen sich selbst Nachschub bestellen, Lieferanten und Kunden in die Abläufe integriert sein.

In der eher statischen Wirtschaft fokussiert das Management auf die sequenziell abfolgenden Phasen Planung, Umsetzung und Kontrolle. Man kennt die Einflussfaktoren auf die Planung und der Weg zur Umsetzung ist klar strukturiert. Demgegenüber ist das Management in der dynamischen Wirtschaft auf das kreative Lösen von komplexen Projektaufgaben für Kunden gerichtet. Die Einflussfaktoren auf die Planung und die Anforderungen an die Aufgabe sind dabei häufig relativ unklar. Gleichzeitig ist die Art- und Weise der Durchführung eher unbekannt, sodass Echtzeitdaten in die Arbeit eingehen.

In der eher statischen Wirtschaft wird in standardisierten Wertschöpfungsprozessen mit vorgegebenem Input geplanter Output erzeugt. Es gilt das Effizienzprinzip. In der eher dynamischen Wirtschaft werden auf neuartige Fragestellungen von Kunden in wissensintensiven Interaktionen zwischen Kunden und Anbietern nach innovativen Lösungen gesucht. Der Output ist nicht immer vorhersagbar. Dabei sind die schnelle Anpassungsfähigkeit des Unternehmens und die Integration der Kunden in die Entwicklung des Ergebnisses von hoher Bedeutung. Agile Arbeitsweisen und Organisation gewinnen stark an Bedeutung. Es gilt das Effektivitätsprinzip.

In der statischen Wirtschaft erfolgen in mehrstufigen Hierarchien Weisung und Berichterstattung und hierarchische Arbeitsteilung zwischen Administration und Operation. Taylorismus zwischen den einzelnen Fachbereichen, Abteilungen und Mitarbeitern erzeugen stabile Geschäftsergebnisse, Qualität und Effizienz. In der dynamischen Wirtschaft tragen kurzzyklische Iterationen, auch Experimente, schnelle Abstimmungsprozesse in ganzheitlichen und multidisziplinären Prozessteams und Netzwerkstrukturen zu schnellen, kundenbedarfsgerechte Lösungen und Innovationen bei.

In dieser Situation stellt sich für viele Unternehmen die Frage, welche innovative Ansätze führende Industrie 4.0 Unternehmen für ihr Führungssystem und ihre Organisation im Spannungsfeld zwischen statischen und zunehmend dynamischen Rahmenbedingungen bislang schon umgesetzt haben. Für die Zielgruppe der möglichen Follower Unternehmen in Baden-Württemberg stellt sich die Frage, was sie von innovativen Industrie 4.0 Unternehmen in Sachen Führungssystem und Organisation lernen können. Denn: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es Führung, Führungssysteme und eine Organisation, die die besondere Dynamik, schnelle Abstimmungs- und Koordinationsprozesse, ganzheitliche und flexible End-to-End Prozessverantwortung, agile Adaptionen, Kreativität und den dynamischen Wandel unterstützen.

Zielsetzung und Ergebnisse

Die Zielsetzung des Vorhabens ist es, Wissen über die Führungspraxis, Führungssysteme und Organisationsgestaltung in der Digitalisierung und bei Industrie 4.0 Unternehmen vor dem Hintergrund der skizzierten Ausgangssituation zu erforschen und insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg zu vermitteln. Dieser Wissenstransfer hin zu den kleinen und mittleren Unternehmen ist so zu gestalten, dass diese ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig sichern können. Zentrale Aspekte der Untersuchung sind:

  • Digitalstrategie und Digitalisierungsreifegrad in Industrie 4.0 Unternehmen
  • Neue Ansätze der Aufbau- und Ablauforganisation
  • Agilitätsförderlichkeit der Führung, Führungssysteme sowie der Aufbau- und Ablauforganisation von Industrie 4.0 Unternehmen
  • Agile Arbeitsweisen und flexible Arbeitsformen im Industrie 4.0 Unternehmen
  • Entsprechende Methoden und Instrumente, wie Objectiv Key Results, Design Thinking, KANBAN Board, Wissensmanagement und Social Media Tools, Selbstorganisierte Kapazitätsflexibilität in Cyber-Physical-Systems (bspw. KapaflexCy)
  • Erfahrungen des Managements mit den entsprechenden Ansätzen

Das Vorhaben zielt zunächst auf die Erstellung von Fallstudien mit innovativen Fallgebern ab. Diese sollen jeweils unternehmensspezifische Herausforderungen und entsprechende innovative organisatorische Lösungsansätze von Early-Adopter Industrie 4.0-Unternehmen als Industrie 4.0 Technologie-Anwender vermitteln.   Auf Basis der Fallstudien sollen Erklär-Filme zu Themen der Organisation 4.0 als Visualisierungs- und Lehrmedium erstellt werden. Auf der Grundlage der Fallstudienarbeit und unsere Expertise wird ein Leitfaden mit Empfehlungen als Handlungshilfe für kleinere und mittlere Unternehmen verfasst. Auf dieser Grundlage sollen KMUs und mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg Hilfe zur Selbsthilfe bei der Gestaltung ihrer spezifischen Organisation 4.0 im dynamischen Wettbewerb gegeben werden. Führungskräfte, Personalmanagement und Betriebsräte in KMU und mittelständischen Unternehmen sollen unterstützt werden, wettbewerbsfähige Industrie 4.0 Organisationen in ihren spezifischen Unternehmen zu gestalten. Die Ergebnisse und Fachinhalte werden über Fachveranstaltungen zum Themenkomplex Organisation 4.0 und einen regelmäßigen und moderierten Arbeitskreis der Zielgruppe vermittelt. Sämtliche Medien werden für KMUs und mittelständische Unternehmen in Baden-Württemberg auf der Plattform der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg via http://www.i40-bw.de bereitgestellt.

Gesuchte Teilnehmer für das Vorhaben

Sie sollten gemäß dem Motto „Tue Innovatives und rede darüber“ ein Interesse haben, diese Praktiken zu publizieren und einem Fachpublikum verfügbar zu machen. Für unsere Fallstudienarbeit suchen wir innovative Industrie 4.0 Unternehmen, die Vorreiter in der Anwendung von Industrie 4.0 Technologien sind. Sie haben sich mit Ihrer Geschäfts- und Digitalstrategie, den eingesetzten Industrie 4.0 Technologien sowie organisatorischen Lösungen hervorgetan. Sie sollten v.a. mit innovativen organisatorischen oder personalen Ansätzen zur Gestaltung der Führungsarbeit, ihres Führungssystems, der Organisation, Kultur oder Transformation, eine Antwort auf das Spannungsfeld zwischen statischen und zunehmend dynamischen wirtschaftlichen Bedingungen in der Digitalisierung gefunden haben. Es werden Industrie 4.0 Unternehmen gesucht, bei denen Wissen einen großen Anteil an der Wertschöpfung hat (u.a. R&D, Engineering, Projektentwicklung, Sondermaschinenbau). Gekennzeichnet sind diese Unternehmen durch Sonder- und Spezialprojekte, die Bearbeitung von eher neuartigen Fragestellungen für Kunden mit besonders Hochqualifizieren, große Entscheidungs- und Tätigkeitsspielräume der Akteure bei der Leistungserstellung sowie nur ein eher beschränkter Anteil der Wertschöpfung ist automatisierbar. Prozessinformatiker und –techniker vor Ort sorgen für eine optimale Funktion der Automatiserungstechnik.  

Methode und Vorgehensweise

Wir wollen Industrie 4.0 Unternehmen als Fallgeber für Fallstudien Organisation 4.0 und entsprechende Erklärfilme gewinnen. Wir führen u.a. teilstrukturiere Interviews und Fachgespräche durch, um spezifische und innovative organisatorische Lösungsansätze herauszuarbeiten. Ausgehend von der Digitalisierungsstrategie können wir gemeinsam den Reifegrad der Digitalisierung und der Organisations-Agilität näher betrachten. Wir können die Parameter eines innovativen Führungssystems (u.a. Führung 4.0, Zielemanagement, Mitarbeiterführung, Human Ressource Management) oder Ansätze der Organisationsgestaltung (u.a. Aufgabenstrukturierung, Verantwortungszuweisung, Delegation, Koordination, Partizipation, oder Prozesssegmentierung) zum Gegenstand der Fallstudie machen. Ebenso könnten wir den Fokus auf die Analyse der Unternehmenskultur oder das Vorgehen im Rahmen der Transformation legen.

Ihre Rolle als Fallgeber für eine Fallstudie

 

  • Mitwirkung bei der Erarbeitung der Fallstudie: Es werden ca. 2-3 Interviewtermine bzw. Workshops zu den genannten organisatorischen Gestaltungsparametern mit Führungskräften (u.a. Organisation, Human Ressource Management, IT, R&D, Operation) erforderlich. Anschließend müssten iterativ 1-2 Feedbacktermine à ca. 2-3 Stunden und Verbesserungsschritte genügen, sodass wir die Fallstudie fertigstellen und die Endredaktion übernehmen können.
  • Mitwirkung bei der Entwicklung der Erklärfilme: 1-2 Termine zur Kurz-Filmkonzeption (ca. 2 Stunden) sowie 1-2 Feedback-Termine zum Kurzfilm.
  • Mitwirkung bei Fachveranstaltungen: Ggf. Präsentation eines Fallbeispiels

Nutzen des Vorhabens

 

  • Fallstudien und Erklärfilme können als Medium zur Öffentlichkeitsarbeit für die Fallgeber Industrie 4.0 Unternehmen dienen. Das Unternehmen positioniert sich damit als Innovationsführer mit attraktiver Führung oder Organisation 4.0. Es wird deutlich, dass nicht nur innovative Technologien eingesetzt werden, sondern die Organisation und Führung ebenso mit innovativen Ansätzen integriert vorangebracht wird.
  • Wissenstransfer über Führung und Organisation im Industrie 4.0 Unternehmen sowie Orientierungs- und Umsetzungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen mittels Fallstudien, Erklärfilmen, und Leitfäden. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren vom themenspezifischen Austausch im Netzwerk der Plattform sowie von Fachgesprächen mit Experten und anderen Industrie 4.0-Unternehmern im Arbeitskreis.
  • Vernetzung in Fach- und Expertengesprächen von Arbeitskreisen sowie Veröffentlichung innovativer, organisatorischer Lösungen in Fallstudien, Erkärfilmen und Leitfaden über die Plattform Alllianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg (http://www.i40-bw.de).